Im Schlauchboot zum Kap Hoorn
Einmal im Leben durch Feuerland reisen, vorbei an gigantischen Gletschern, und Kap Hoorn mit eigenen Augen sehen – ein ganz entspanntes Abenteuer, wenn man es an Bord eines komfortablen Schiffes erlebt.
Schneekristalle tanzen durch die Luft und schweben sanft wie Federn nieder. Sie legen sich auf die Moosmatten, bedecken die glänzenden Blätter der Coigue-Bäume und überziehen die Calafate-Sträucher mit einer weißen Decke. Es schneit – Jahr um Jahr, Jahrzehnte und Jahrhunderte. Die glitzernden Kristalle fallen vom Himmel und legen sich auf die Felsmassive der Andenausläufer in Feuerland. Sie türmen sich auf, Meter um Meter, und pressen den Schnee zu Eis, bis es so hart wird, dass es blau schimmert. „Warum ist denn der Gletscher so blau“, fragt Paul aus Ohio, der mit seiner Schwimmweste über der arktischen Trekkingkleidung wie ein orangefarbener Teddybär vor dem gigantischen Pia-Gletscher am Beagle-Kanal steht.
Rodrigues, Exkursionsführer und im Umgang mit Eis und Touristen sehr erfahren, zwinkert gut gelaunt und lässt sich nicht anmerken, dass er diese Frage in der patagonischen Saison von September bis April ungefähr so oft beantwortet hat, wie er Gästen beim Ein- und Aussteigen aus den Schlauchbooten hilft. „Manche fragen auch mehrmals“, meint er gutmütig und erklärt: „Der Gletscher scheint in leuchtendem Blau, weil nur die blaue Farbe des Lichtspektrums vom Eis wiedergegeben wird.“ Als ob der schimmernde Gigant diesen Worten Nachdruck verleihen möchte, kracht eine riesige Eismasse von der Gletscherkante und stürzt mit tiefem Grollen und einer aufstiebenden Eiswolke in den Fjord. In weiten Kreisen breiten sich die Wellen aus und lassen die schwimmenden Eisbrocken im milchig grünen Gletscherwasser tanzen und die Schlauchboote auf- und niederhüpfen. Die kleine Exkursionsgruppe bestaunt still das archaische Naturspektakel und lässt sich entführen in die jahrtausendealte Vergangenheit dieser grandiosen Landschaft, die vom ewigen Wind, der erhabenen Schönheit der Gletscher und dem nie endenden, urgewaltigen Niederkrachen des Eises erzählt. Dann plötzlich klicken die Kameras – zu spät für das Schauspiel, aber rechtzeitig genug, um die Sonnenstrahlen einzufangen, die plötzlich durch die schweren, grauen Wolken blitzen und die riesige Eiszunge zum Glitzern bringen.
Mit Gummistiefeln zum Eisberg
Von überall her, aus 18 Nationen, kommen die Gäste, die das Abenteuer in Feuerland gebucht haben – eine fünftägige Schiffstour durch die Kanäle und Fjorde Patagoniens von Punta Arenas, der südlichsten Stadt Chiles, bis nach Ushuaia, der südlichsten Stadt des Nachbarns Argentinien. Fünf Tage zwischen relaxtem Luxus an Bord der Via Australis und abenteuerlichen Exkursionen an die zerklüfteten Küsten Feuerlands. Fünf Tage inmitten einer faszinierenden Tierwelt mit Kolonien von Seelöwen, tonnenschweren See-Elefanten, possierlichen Pinguinen, Delfinen, Walen und mächtigen Albatrossen, die das Schiff begleiten. Fünf Tage auf den Spuren der großen Entdecker, die vor rund fünfhundert Jahren mit ihren hölzernen Karavellen das raue, windgepeitschte Meer befuhren, um einen Seeweg nach Indien zu finden und zu beweisen, dass die Erde eine Kugel ist. Magellan war es schließlich, der nur wenige Kilometer nördlich des gefährlichen Kap Hoorns im Jahre 1520 einen Kanal entdeckte, der heute seinen Namen trägt – und damit in die Geschichte einging.
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
Was damals lebensgefährlich war, ist heute ein gut kalkulierbarer Spaß. Hightech-Kleidung, wasserfeste Trekking-Schuhe und Plastikhüllen für die Kameras – die Gäste sind gut gerüstet, und wenn Rodrigues die Schuhe für den Landgang nicht geeignet erscheinen, verordnet er Gummistiefel aus dem Bordbestand für garantiert trockene, aber auch garantiert kalte Füße. Auch wenn die Wellen hoch gehen und der Wind peitscht – an Land geht es stets mit Zodiacs, robusten Schlauchbooten, die Platz für jeweils zwölf Personen bieten und mit Außenbordmotor die Fjorde durchpflügen und sogar – mit angemessenem Tempo – durch Eisfelder manövrieren.
Nackt in der Kälte
Noch nicht lange ist es her, da glitten andere durch die Kanäle. Statt im Zodiac saßen sie in hölzernen Kanus, in der Mitte brannte ein Feuer. Sie trugen weder Windstopper-Jacken noch Gore-Tex-Westen – genau genommen waren sie fast nackt. Die Yamana-Indianer zogen hier im südlichen Feuerland von Bucht zu Bucht, schliefen in einfachen Hütten aus Zweigen und Ästen und gingen vornehmlich auf Seelöwenjagd. Sie kamen vor rund 12.000 Jahren über die Beringstraße nach Patagonien und trotzten über die Jahrtausende der Kälte, dem Wind und den unwirtlichen Bedingungen. Dann kamen um 1860 weiße Siedler ins Land – und knapp 50 Jahre später waren bis auf wenige alle Yamana tot – ermordet, ihrer Lebensgrundlage beraubt, an Krankheiten gestorben. Nur eine einzige „reine“ Yamana lebt bis heute, die 84 Jahre alte Christina Caldéron, die noch die Yamana-Sprache beherrscht – mit 32.000 Ausdrücken, wie ein Wörterbuch des Missionars Thomas Bridges eindrucksvoll belegt.
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
Durch tosende Wellen zum Kap Hoorn
Die Spannung steigt an Bord, die gut hundert Passagiere sind aufgeregt: Morgen ist der große Tag, das große Ereignis, auf das alle hinfiebern und das für viele der wichtigste Grund für diese Reise ist – Kap Hoorn. Den südlichsten Zipfel des Kontinents, dort wo Atlantik und Pazifik zusammenstoßen, umranken Legenden, hier, so schätzt man, liegen rund 800 Wracks, Schiffe, die in den tosenden Wellen gescheitert sind und dabei wohl 10.000 Männer mit in die Tiefe des Meeres genommen haben. Ein Gedicht gedenkt ihrer – eine Tafel, aufgestellt auf der Felseninsel Isla Hornos unterhalb des stählernen Kap-Hoorn-Denkmals: „In bin der Albatros, der auf dich wartet am Ende der Welt. Ich bin die vergessene Seele der toten Seefahrer, die über alle Meere der Erde kamen, Kap Hoorn zu umsegeln. Aber sie starben nicht im Wüten der Wellen, heute fliegen sie auf meinen Schwingen, auf alle Ewigkeit, im letzten Abgrund der antarktischen Winde.“
Ein Mahnmal, eine Gedenktafel, ein Leuchtturm und ein kleines Haus – das Ende der Welt, von Stürmen umtost, der letzte Vorposten der Zivilisation. Danach kommt die Drake-Passage und dann, nur einige hundert Kilometer weiter, die Antarktis. Nicht immer können die Zodiacs auf der Isla Hornos landen, manchmal sind die Wellen so hoch, dass Kapitän Enrique Rauch den Gästen die Landung untersagt. Doch heute geht es auf die legendäre Insel, auf der in der Saison die kleinen Magellan-Pinguine in Scharen über das Gras wackeln oder sich auf den sonnengewärmten Felsen räkeln. Der Empfang ist des Ereignisses angemessen. Während schwarze Karakara-Vögel im Tiefflug über die Felsen jagen und ein Regenbogen ins aufgewühlte Wasser fällt, begrüßt Miguel, Gesandter der chilenischen Marine, jeden mit Handschlag. Er hat hier seinen Traumjob gefunden: Zusammen mit Ehefrau Catherine, dem siebenjährigen Matias und Schäferhund Antaris wacht er über die Insel und funkt nach Hilfe, wenn wieder einmal ein Segler mit gebrochenem Mast hilflos vor Kap Hoorn im Meer treibt.
Silbermond am Himmel
Die Gäste der Via Australis haben es geschafft, sie haben ihren Fuß auf die Isla Hornos gesetzt und halten nun stolz ihr Zertifikat, eigenhändig vom Kapitän unterschrieben, in der Hand. Zufrieden sitzen sie in den großen Ledersesseln der Lounge und lassen die schneebedeckten Andengipfel an sich vorbeiziehen. Das Schiff gleitet in den Beagle-Kanal, in die Allee der Gletscher. Die eisigen Giganten fallen hier in die schiefergrauen Wellen, sie hängen in den Felsklippen, schieben sich über das Geröll oder stürzen steil ins Meer. Es dämmert, und wie bestellt hängt ein Silbermond am Himmel. Er lässt das ewige Eis schimmern und zieht eine glitzernde Spur über das Wasser. Eileen, die aus Australien nach Feuerland gekommen ist, läuft ans Fenster: „Da, schaut mal, Delfine!“ Dort gleiten sie in eleganten Sprüngen durch das Silberband des Mondes und verschwinden in der Dunkelheit. Dann beginnt es sanft zu schneien. Eiskristalle legen sich hoch oben auf die Gletscher, wie Federn schweben sie aufeinander, sie werden sich auftürmen, Meter um Meter, sie werden viele Jahre später zu blau schimmerndem Eis erstarren und dann irgendwann krachend in den Fjord stürzen.
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
- © J.Lemcke
Informationen zur Reise durch Feuerland
Via Australis – das Schiff: | |
Veranstalter | DERTOUR GmbH & Co.KG |
Flagge | Chile |
Baujahr/Renovierung | 2005 / |
Bordsprache | Englisch, Spanisch |
Internationaler Gästeservice | Die Reiseleiter sprechen Französisch, Deutsch und Italienisch |
Bordwährung | EUR/Euro, USD/US-Dollar, CLP/Chilenische Pesos |
Tonnage | 2.750 BRT |
Länge / Breite / Tiefgang | 72,30 m / 13,40 m / 3,30 m |
Antrieb | 625 KW |
Passagiere / Kabinen | 136 (bei Doppelbelegung) / 64 |
Spannung | 110 V / 220 V |
An Bord:
Ärztliche Versorgung | Krankenstation/Hospital |
Bars & Lounges | 2 / |
Decks/Aufzüge | 5 / |
Kreditkarten | VISA, MasterCard, American Express, Diner’s Club |
Läden/Shopping | Shop |
Restaurants | Restaurant (Hauptrestaurant) Inklusive |
Sonstiges | Aussichtsdeck / Videoarkade / Bibliothek |
Unterhaltung | Salon |
Beachten Sie | Einige Dienstleistungen oder Einrichtungen sind gegen Gebühr |
Ausstattung (Außenkabine): Kabinengröße gesamt ca. 15 qm, Panoramafenster, Doppelbett oder 2 Einzelbetten, Badezimmer mit Dusche und WC, Heizung, Safe
Highlights: Absolutes Highlight ist der Landgang auf der Kap-Hoorn-Insel. Hier, wo Pazifik und Atlantik zusammenstoßen, liegen rund 800 Schiffswracks auf dem Meeresboden.
Unbedingt machen: Auf jeden Fall lohnt sich der Besuch der Museen in Punta Arenas, Ushuaia und in der von Cruceros Australis angesteuerten Wulaia-Bucht. Die Besucher werden anschaulich über Natur und Tierwelt sowie über die Geschichte und das Leben der Indianer in Feuerland / Patagonien informiert.
Unbedingt vermeiden: Ohne wasserfeste warme Schuhe losreisen. An Bord gibt es Gummistiefel für die Passagiere, die aber garantiert für kalte Füße sorgen.
Tipp: An Bord geht es leger zu. Für die Landausflüge werden Trekkingschuhe und warme wasserabweisende Outdoor-Kleidung empfohlen.